Forschungstag Englisches Mittelalter und Britische Inseln

Forschungstag Englisches Mittelalter und Britische Inseln

Organisatoren
Alheydis Plassmann, Institut für Geschichtswissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Dominik Waßenhoven, Historisches Institut, Universität zu Köln; Stefan Schustereder, Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Ort
Bonn
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.09.2017 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Dominik Büschken, Institut für Geschichtswissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Am 22. September 2017 fand am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn der zweite internationale Forschungstag des Forschungsnetzwerkes FEMBI statt. Das von Alheydis Plassmann (Bonn), Dominik Waßenhoven (Köln) und Stefan Schustereder (Bonn) ins Leben gerufene Netzwerk, führt jährlich interdisziplinär die in Deutschland zur Englischen Geschichte des Mittelalters Arbeitenden und Interessierten zusammen. Anders als im Vorjahr stand diese Tagung unter keinem übergreifenden Thema abseits des englischen Schwerpunktes, als zentral kristallisierte sich dennoch das 12. Jahrhundert heraus. ALHEYDIS PLASSMANN (Bonn) eröffnete die Tagung mit dem Hinweis auf „fembi.de“ und den Möglichkeiten zur Vernetzung, die das Forschungsportal allen Mitgliedern biete.
DANIEL BROWN (Köln) eröffnete den inhaltlichen Part mit seiner Suche nach Vinnosa/Pinnosa. Unter dem Titel „Kölner Heilige und britische Prinzessinnen“ stellte er mögliche Verknüpfungen der heiligen Ursula von Köln zu in altenglischen Quellen benannten heiligen Jungfrauen dar und konnte aufzeigen, wie weitreichend Legenden, Personen und kollektives Wissen schon im Frühmittelalter geteilt wurden. Zwar kann die Suche nach den britischen Wurzeln der heiligen Ursula wohl nie abgeschlossen werden, aber die wenigen Verbindungen deuten doch auf intensivere Verbindungen zwischen der Kölner Heiligenlandschaft und England, als sich dann im Einzelnen nachweisen lässt.

Auf Beteiligungen kirchlicher Würdenträger an Herrscherwechseln konzentrierte sich DOMINIK WASSENHOVEN (Köln) in seinem Beitrag, der einen ersten Einblick in das persönliche Habilitationsprojekt geben konnte. Seine Analyse der Zeit zwischen 950 und 1050 konnte den Einfluss der Bischöfe über eine beratende Funktion hinaus deutlich aufzeigen. Anhand unterschiedlichster Quellenarten lässt sich zumindest eine gängige Struktur des Herrscherwechsels ausmachen: 1. Tod, Leichenzug und Bestattung, 2. Nachfolge, Wahl, Designation, 3. Salbung und Krönung, 4. Konflikte und Verhandlungen, 5. Anerkennung und Eidesleistung und 6. Die Handlungen des neuen Herrschers. Bei diesen diversen Phasen treten immer wieder Bischöfe als zentrale agierende Personen auf.

BENJAMIN POHL (Bristol) stellte anhand Bedas Kirchengeschichte dar, wie sehr die regionale Verbreitung und der lokale Nutzen bei vorhandenen Abschriften variierte. Am Beispiel der Kopie der Kirchengeschichte Bedas der Abtei in Gladbach fokussierte Pohl auf eine Episode, die in einer Handschrift mit der Kirchengeschichte in der örtlichen Bibliothek aufzufinden ist. Die Episode über einen Pakt mit dem Teufel kann als Klerikerkritik gelesen werden, deren Verbreitung auch bei anderen Autoren wie William auf Malmesbury nachweisbar ist. Besonders hob Pohl hervor, dass sich im Laufe der Zeit die Intention der Anekdote abhängig vom Hintergrund des Autors änderte, also weg von allgemeiner Kleruskritik, hin zur Kritik am Säkularkleriker. In Gladbach ist diese Verschiebung durch die Auseinandersetzung mit dem Kölner Erzbischof und dem Stift Groß St. Martin bedingt, von denen sich die Mönche in Gladbach durch solche Geschichten absetzen konnten.

Ebenfalls im Hochmittelalter bewegte sich STEFANIE SCHILD (Bonn), die sich dem Verhältnis zwischen Episkopat und König am Beispiel englischer Könige im 11. und 12. Jahrhundert widmete. Der in der Öffentlichkeit teils zur Schau gestellte Dissens des Erzbischofs von Canterbury mit dem König, wie im Falle Anselms und Heinrich I., zeigt auch die projizierten Erwartungshaltungen an die Funktion der Correctio durch das Episkopat. Insgesamt konnte sie darlegen, wie konfliktbehaftet das Verhältnis war, schon allein deshalb, weil auch andere Faktoren wie das Verhältnis zum Papsttum und die Auseinandersetzungen zwischen York und Canterbury um die Metropolitangewalt eine Rolle spielten.
ALHEYDIS PLASSMANN (Bonn) beschäftigte sich mit Verschwörungen gegen Johann Ohneland. Die Warnung vor einer baronalen Verschwörung, die Johann Ohneland 1212 auf seinem Feldzug gegen den walisischen Fürsten Llywelyn erhielt, stehe sinnbildlich für die Krise der Königsherrschaft. Das Wissen um Geheimes war in der Regel ein Privileg des Königs, in dieser Krise wurde das Geheime aber zur Gefahr für den König selbst. Allein die Furcht vor Geheimnissen ließ die Parteiungen und die Krise um Johann weiter voranschreiten, womit diese „Geheimniskrämerei“, die aber in Anbetracht fehlender innerdynastischer Alternativen auch eine strukturelle Notwendigkeit war, Symbol für Johanns schwindende Machtstellung stand.

Die emotionale Beziehung zwischen Johann Ohneland und seinem Halbbruder Wilhelm von Salisbury untersuchte CHRISTINA BRÖKER (Aachen) unter dem Aspekt der Intimität. Lässt sich diese in der Forschung postulierte Intimität anhand der Quellenlage belegen oder ist die Interaktion der beiden doch nur den personalen Herrschaftsstrukturen geschuldet? Die Frage, ob Emotionalität überhaupt aus administrativen Quellen nachgewiesen werden kann und welche Rolle Emotionalität bei der Etablierung einer personalen Bindung spielte, die auch aufgrund politischer Notwendigkeiten gepflegt werden musste, waren so die zentralen Fragestellungen, die im Vortrag zumindest für die „Chancery Rolls“ abschließend beantwortet werden konnten, so dass eine emotionale Bindung jenseits der vertrauten Stellung, die ein Halbbruder des Königs mit umfangreichen Ländereien haben musste, im Grunde verneint werden kann.

JÖRG SCHWARZ (München) rückte mit dem mittelalterlichen Autoren Richard von Devizes eine Figur in den Mittelpunkt, die in der Forschung vor allem für seinen Stil und außergewöhnlichen Zugang zur Geschichtsschreibung gewürdigt wird. In der Frage, ob der Autor eine zuverlässige Quelle ist, gehen die Meinungen zwar auseinander, aber seine Einzigartigkeit im narrativen Ansatz, sowie der sprachlichen Fähigkeiten des Autors, machen ihn zu einer unverzichtbaren Quelle für die Erkundung zeitgenössischer Perzeption und geistesgeschichtlicher Fragestellungen.

Der Forschungstag 2017 konnte erneut eindrucksvoll belegen, wie fruchtbar ein Austausch zur Erforschung des Englischen Mittelalters für alle Beteiligten, aber auch die Forschungslandschaft insgesamt sein kann. Fragestellungen zur Verbreitung mittelalterlicher Autoren und theoretische Ansätze zur Emotionalität sind dafür nur zwei Beispiele. Auch deshalb soll der Forschungstag auf Wunsch aller Teilnehmer nächstes Jahr wieder stattfinden.

Konferenzübersicht:

Alheydis Plassmann (Bonn): Einführung

Daniel Brown (Köln): ab illis Vinnosa, a nostris Pinnosa – Kölner Heilige und britische Prinzessinnen

Dominik Waßenhoven (Köln): Die Analyse bischöflicher Beteiligung an Herrscherwechseln: Ein Werkstattbericht

Benjamin Pohl (Bristol): Von England lernen? Zum Nutzen und Verständnis von Bedas Kirchengeschichte im Rheinland des 12. Jahrhunderts

Stefanie Schild (Bonn): Anglo-normannische Könige und ihr Episkopat

Alheydis Plassmann (Bonn): Geheime Verschwörungen gegen König Johann Ohneland

Christina Bröker (Aachen): Der König und sein Halbbruder – eine innige Beziehung? Johann Ohneland und William of Salisbury in den englischen »Chancery Rolls«

Jörg Schwarz (München): Zeit und Geschichte bei Richard of Devizes